Die Sammlungen der Abteilung Zoologie gehen auf das »Naturalien-Cabinet« des Landgrafen Ludwig X., späterer Großherzog Ludewig I., zurück. Im Jahr 1847 wurden die geologischen und mineralogischen, 1893 auch die paläontologischen Bestände von der Zoologie separiert. Im Zuge der Errichtung des Alfred-Messel-Baus wurden entsprechend zwei getrennte Ausstellungsbereiche vorgesehen; die Zoologische Abteilung auf der Ebene der Haupthalle und die Erd- und Lebensgeschichte im Stockwerk darüber.
Im 19. Jahrhundert wurden auf Initiative des damaligen Kustos Johann Jakob Kaup die zoologischen Sammlungen regelmäßig gezielt durch Ankäufe erweitert. So kamen beispielsweise die meisten der australischen Beuteltiere, das Zwergwal-Skelett und viele Präparate heute ausgestorbener Arten in den Besitz des HLMD.
Im 20. Jahrhundert wiederum trugen teils umfangreiche Forschungsreisen (z.B. die Xarifa-Expeditionen) zur Sammlungserweiterung bei. Heute umfassen die zoologischen Sammlungen ein repräsentatives Spektrum von Arten der Säugetiere, Vögel, Insekten, Mollusken (Schnecken, Muscheln) und Korallen. Auch alle anderen Organismengruppen sind in den Sammlungen vertreten, jedoch weit weniger umfangreich.
Wandel
Wiederkehrendes Thema der zoologischen Ausstellung ist der beständige Wandel der Natur. Dies umfasst den Wandel von Arten und der Artenvielfalt.
Arten sind keine unveränderlichen Einheiten, sondern wandeln sich im Lauf der Evolution. Die Ausstellung stellt die dafür entscheidenden Faktoren und Ereignisse der Evolution anhand von Fallbeispielen, Exponaten und neuen Medien anschaulich dar.
Anhand der Präsentation von über 100 Skeletten und der Möglichkeit diese miteinander zu vergleichen, können Besucher die Abwandlung eines gemeinsamen Bauplans aller Wirbeltiere (Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugetiere) wahrnehmen und begreifen.
Die Vielfalt heute existierender Arten wird durch die Präsentation von mehr als 800 Präparaten nahezu aller tierischen Organismengruppen in einer Großvitrine eindrucksvoll veranschaulicht. Zur Demonstration des Wandels und der Unbeständigkeit dieser Artenvielfalt, sind den Präparaten existierender Arten diejenigen ausgestorbener Arten gegenübergestellt.
Ausgestorben
Das HLMD zeigt einige besonders wertvolle Exponate rezent ausgestorbener Arten im Ausstellungsbereich »Wandel der Artenvielfalt«. Dazu gehören Säugetiere wie das Quagga (Equus quagga quagga), der Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus) und die Steller’sche Seekuh (Hydrodamalis gigas) ebenso wie ein Harlekinfrosch (Atelopus vogli) und diverse Vogelarten, beispielsweise ein Paradiessittich und ein Solitair.
Der Paradiessittich (Psephotus pulcherrimus) war ursprünglich eine häufige Art in Australien. Die Ursachen für sein relativ plötzliches Aussterben sind weitestgehend unklar. Die letzte bestätigte Sichtung eines Individuums datiert vom 14. September 1927.
Der Solitair (Pezophaps solitaria), ein großer, flugunfähiger Vogel, lebte auf der östlich von Madagaskar liegenden Insel Rodriguez. Wie ihre nächsten Verwandten auf Mauritius (Dodo, Raphus cucullatus) und Réunion (Réunion-Einsiedler, Raphus solitarius) waren die Tiere aufgrund ihrer Flugunfähigkeit leichte Beute für Menschen und auf die Insel eingeführte Raubtiere. Vermutlich starb der Solitair zwischen 1730 und 1760 aus. Sehr wenige Knochenfragmente in Museen und einige Darstellungen von Malern sind die einzigen Erinnerungen an diese Art.
Darmstädter Dioramen
Die zehn zoologischen Dioramen wurden im Zuge des 1906 eröffneten Museumsbaus in enger Zusammenarbeit von Architekt Alfred Messel und dem damaligen Kustos für Zoologie, Gottlieb von Koch, konzipiert. Bereits 1898 begann der Präparator Karl Küsthardt mit dem Aufbau der Dioramen, die damals als »Tiergeographische Gruppen« bezeichnet wurden. Während die Dioramen europäischer Lebensräume teilweise detailliert konstruierte Landschaftselemente aufweisen, sind die vier Dioramen Südamerika, Afrika, Asien und Australien & Neuseeland durch schematisch angedeutete Landschaften charakterisiert, die jeweils die Fauna eines ganzen Kontinents repräsentieren.
Diese abstrahierte Darstellung, die nicht den Anspruch einer naturnahen Abbildung des Lebensraums hatte, galt in ihrer Entstehungszeit als revolutionär. Trotz entstandener Schäden im Zweiten Weltkrieg sind die Darmstädter Dioramen weitgehend in ihrem Ursprungszustand erhalten und nehmen damit international eine bedeutende Sonderstellung ein.
Hominiden-Rekonstruktionen
Die Ausstellung zur Evolution des Menschen hat aufgrund ihrer Rekonstruktionen von Menschen-Verwandten (Hominiden) überregionale Bekanntheit erlangt.
Für die wichtigsten Arten der Vormenschen – Sahelanthropus tchadensis, Australopithecus anamensis, Australopithecus afarensis, Kenyanthropus platyops, Australopithecus africanus, Paranthropus boisei –, Urmenschen – Homo rudolfensis, Homo habilis – und Frühmenschen – Homo erectus, Neandertaler – zeigt das HLMD lebensechte Kopfrekonstruktionen, die unter der wissenschaftlichen Betreuung des Museums und in Kooperation mit dem Magazin GEO im Atelier Wildlife Art (W. Schnaubelt & N. Kieser) angefertigt wurden.
Der jüngste Neuzugang – Sahelanthropus - ist zugleich der älteste Vormensch. Er zählt zu den wenigen Funden außerhalb des afrikanischen Grabens. Einige Wissenschaftler vermuten, dass es sich bei Sahelanthropus eher um einen Verwandten des Gorillas, des Schimpansen oder des letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse handelt.
Kontakt
Dr. Jörn Köhler
(Kurator Rezente Wirbeltiere)
T 06151 3601-263
Dr. Daniela Matenaar
(Kuratorin Rezente Wirbellose)
T 06151 3601-268